Ergebnisse aus dem Projekt DeVKopSys I

Das Projekt DeV-KopSys  hat das Ziel, eine wissenschaftliche Bewertung von möglichen Entwicklungen im Verkehrssektor und deren Auswirkungen auf das Energieversorgungssystem durchzuführen. Dabei ist u.a. ein globaler PtX-Atlas entstanden und Szenarien und Sensitivitätsuntersuchungen wurden durchgeführt, um die Auswirkungen von Rahmenbedingungen auf die Klimapolitik und die Ökonomie zu identifizieren. Unsere wichtigsten Kernaussagen haben wir hier zusammengefasst:

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Durch einen starken Ausbau der erneuerbaren Energien und einen vorgezogenen Kohleausstieg könnte Deutschland auch die verschärften EU-Klimaziele für 2030 erreichen.

Deutschland könnte die verschärften EU-Klimaziele für 2030 erreichen, indem es den Ausbau erneuerbarer Energien und den Kohleausstieg beschleunigt. Der European Green Deal der EU-Kommission sieht eine CO2-Reduktion von mindestens 55% bis 2030 vor. Deutschland kann diese Ziele erreichen, indem es den Ausbau von Wind- und Solarenergie sowie den Kohleausstieg beschleunigt. Der Einsatz von blauem Wasserstoff ist dazu nicht erforderlich. Der Kohleausstieg müsste bis 2030 abgeschlossen sein und mehr Wind- und Solaranlagen müssten installiert werden. Steinkohlekraftwerke können als Backup-Kraftwerke genutzt werden. Bei einer Verschärfung der Klimaziele müsste Deutschland 430 TWh Strom aus Wind und PV erzeugen, im Vergleich zu 360 TWh ohne Verschärfung.

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Das Ziel die Emissionen im Verkehrssektor bis 2030 um 40 % zu reduzieren ist sehr ambitioniert. Die bisher vorgesehenen Maßnahmen und ein ambitionierter Markthochlauf der Elektromobilität reichen alleine nicht mehr aus.

Das Ziel, die Emissionen im Verkehrssektor bis 2030 um 40% zu reduzieren, ist sehr ambitioniert und die bisher vorgesehenen Maßnahmen und ein ambitionierter Markthochlauf der Elektromobilität reichen alleine nicht aus. Ein signifikanter Anteil von Verkehrsvermeidung und -Verlagerung ist unvermeidbar, um das Klimaziel für den Sektor Verkehr zu erreichen. Eine Analyse des Kaufverhaltens der Fahrzeugbesitzer zeigt, dass eine Jährliche Neuzulassung von 2,5 Mio E-KFZ (BEV + PHEV) bis 2030 notwendig ist, um das Niveau von knapp 12 Mio. Elektrofahrzeugen im Bestand zu erreichen. Ohne Maßnahmen zur Verkehrsverlagerung und Verkehrsvermeidung wäre ein Anteil von etwa 5% strombasierter Kraftstoffe notwendig, für den aber eine Nutzungskonkurrenz im Flug- und Schiffsverkehr besteht.

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Auch mit 100 Prozent erneuerbaren Energien ist die Versorgungssicherheit gewährleistet.

Deutschlands Stromversorgung ist auch mit 100% erneuerbaren Energien gewährleistet und selbst seltene Extremsituationen können durch das europäische Verbundnetz und ein intelligentes Lastmanagement weitestgehend bewältigt werden. Als Backup für eventuelle Engpässe wäre nur ein moderater Zubau von Gasturbinen notwendig. Eine Analyse einer treibhausgasfreien europäischen Energieversorgung für 2050 zeigt, dass die reale historische Extremsituation durch einen moderaten Ausbau von Gaskraftwerken in Deutschland in Höhe von 39 GW überbrückt werden kann. Effekte wie PV-Erzeugung in Europa in Verbindung mit Kurzfrist-Stromspeichern und -Lastverschiebung sowie weitere Ausgleichseffekte und hybride Stromverbraucher und Hybridfahrzeuge tragen dazu bei.

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Die dezentrale Flexibilität wird wichtig. Die Nutzung von Flexibilitätspotenzial in der Industrie, das vorwiegend auf Lastabwurf basiert, kann dies nicht ersetzen und würde einen hohen Zubau an Batteriespeichern notwendig machen

Es werden im zukünftigen Energiesystem etwa 20 GW Stromspeicher benötigt, wenn 60% der Elektroautos ihren Ladezeitraum durch Marktsignale verschieben können. Ohne diese Steuerung steigt der Bedarf an Stromspeichern auf 43 GW. Durch bidirektionales Laden und Nutzung von dezentraler Flexibilität in der Industrie kann der Bedarf jedoch auf 4 GW reduziert werden. Es bleiben jedoch regulatorische Fragen offen und es gibt noch keinen wirtschaftlichen Use-Case für die Nutzung von dezentraler Flexibilität.

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Durch den Einsatz von bidirektionalem Laden mit Elektroautos und Nutzung dezentraler PV-Batteriespeicher im Strommarkt wären kaum zusätzliche Stromspeicher notwendig.

Die Nutzung der Rückspeisung von Elektromobilität und die Nutzung von PV-Heimspeichern im übergeordneten Strommarkt ist zwar aktuell nicht wirtschaftlich, kann aber langfristig ein hohes Flexibilitätspotenzial bieten, falls regulatorische Hürden überwunden werden. Endverbraucher tragen zusätzliche Stromkosten, die derzeit nicht für den Einsatz am Strommarkt herausgerechnet werden können. Eine Untersuchung zeigt, dass von 37 Mio. Elektrofahrzeuge 60% flexible Fahrzeuge einen hohen gleichzeitigen Leistungsbezug aufweisen können und durch V2G die Auslastung der Flexibilität erhöht werden kann. In dem Szenario + V2G an über 1000 h in das Netz zurückgespeist wird, der maximale Verbrauch liegt bei 50 GW. Der Ausbau und Einsatz von stationären Batteriespeichern ist im Vergleich dazu gering, lediglich 4 GW notwendig und werden nur die Hälfte der Jahresstunden verwendet.

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Auch bei einer geringeren Kostendegression von Windenergie an Land und höherem dezentralen Kurzzeitflexibilitätspotenzial, ist ein starker Windzubau robust.

Der Ausbau von Windenergie an Land ist eher durch Flächenverfügbarkeit und Akzeptanz beschränkt als durch ökonomische Kriterien, auch in windschwächeren Regionen wie Süddeutschland ist der Ausbau noch ökonomisch sinnvoll. Der Ausbau von PV hingegen ist stärker von PtX-Importpreis und -Verfügbarkeit abhängig. Ein hoher Windanteil im Energiesystem bleibt eine robuste Annahme, während die notwendige PV-Leistung von PtX-Faktoren beeinflusst wird. Selbst bei der Möglichkeit zur Nutzung von Vehicle-to-Grid bei Elektroautos wird der Ausbau von Wind an Land dem Ausbau von PV vorgezogen. Der notwendige Ausbau der Übertragungsnetze ist ohne neue Trassen integrierbar.

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Der Umbau der Erdgas-Fernleitungsnetze in eine zentrale Wasserstoffinfrastruktur und die Fokussierung auf Wasserstoff anstelle von synthetischem Methan in verbleibenden Anwendungen der Industrie und Energiewirtschaft bringt Effizienz- und Kostenvorteile.

Die Transformation des bestehenden Erdgas-Fernleitungsnetzes in eine zentrale Wasserstoffinfrastruktur kann Effizienzvorteile gegenüber der Nutzung von Power-to-Gas in der Industrie und für Gaskraftwerke bieten. Der Bedarf kann durch eine Priorisierung der europäischen Wasserstofferzeugung und zusätzliche Importe gedeckt werden. Der gasförmige Wasserstoff-Import per Pipeline aus Nordafrika kann einen relativ niedrigen Benchmark-Preis setzen, wodurch weniger PV im Energiesystem benötigt wird. Europa sollte auch eine eigene Wasserstoff-Produktion aufbauen, insbesondere durch Offshore-Potenziale, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Langfristig bietet die Nutzung von gasförmigen Wasserstoff in Anwendungen, die nicht elektrifizierbar sind, Effizienzvorteile gegenüber der Erzeugung von PtG und PtL.

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Die größten Flächenpotenziale zur Erzeugung nachhaltiger synthetischer PtX-Kraftstoffe ergeben sich in großen Flächenstaaten wie den Vereinigten Staaten, Australien, Argentinien oder Russland insbesondere an Binnengewässern.

Die größten Potenziale für die Erzeugung von nachhaltigen synthetischen Kraftstoffen (PtX) liegen in großen Flächenstaaten wie den USA, Australien, Argentinien und Russland, insbesondere an Binnengewässern. Eine globale Flächenanalyse hat ergeben, dass es enorme Flächenpotenziale von über 32 Millionen km² gibt, die für Onshore-Windenergieanlagen und/oder PV-Freiflächenanlagen genutzt werden könnten. Nach Berücksichtigung von technischen und ökologischen Restriktionen bleibt eine Fläche von etwa 2,6 Millionen km² für den Einsatz von PtX-Technologien übrig. Davon können 71% an Binnengewässern und 29% an Küstengewässern identifiziert werden. Die Verteilung der Flächen auf reine Wind-Standorte (38%), reine PV-Standorte (26%) oder Hybrid-Standorte als Kombination aus Wind und PV (36%) zeigt eine Tendenz zur verstärkten Nutzung der Windenergie.

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Trotz hoher technischer und ökologischer Anforderungen an die Potenzialflächenermittlung für Power-to-X (PtX)-Technologien erscheinen daraus abgeleitete Erzeugungsmengen ausreichend hoch, um den weltweiten Bedarf an synthetischen Kraftstoffen zu decken, wenn Energieeffizienz und direkte Stromnutzung priorisiert werden.

Es gibt ausreichend hohe Potenzialflächen für Power-to-X (PtX) Technologien, um den weltweiten Bedarf an synthetischen Kraftstoffen zu decken, wenn Energieeffizienz und direkte Stromnutzung priorisiert werden. Bei einem Vollausbau der identifizierten PtX-Flächenpotenziale ergibt sich eine globale PtX-Ausbauleistung von 12,3 bis 29,9 TW, was Erzeugungsmengen von 85.000 bis 120.000 TWh ermöglicht. Kohlenstoff-basierte Energieträger haben aufgrund höherer Umwandlungsverluste ein geringeres Erzeugungspotenzial als Wasserstoff. Allerdings kann das ermittelte Gesamtpotenzial nur teilweise erschlossen werden, da es an nötiger Infrastruktur oder Investitionssicherheit fehlt.

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Länderspezifische Standortanalysen zeigen eine große Bandbreite an PtX-Gestehungskosten auf und Importkosten in die EU variieren stark über die Transportentfernung und den PtX-Kraftstoff.

Die Studie untersucht die Erzeugungskosten von grünem Wasserstoff und klimaneutralen synthetischen Kraft- und Brennstoffen an knapp 600 Standorten weltweit. Die Ergebnisse zeigen, dass die niedrigsten Kosten an Standorten erreicht werden, die sowohl gute Windenergie- als auch Photovoltaik-Bedingungen aufweisen. Die Kostenuntergrenze für gasförmigen Wasserstoff liegt bei knapp 51 €/MWh, während die Kosten für kohlenstoffbasierte Kraftstoffe im Bereich von 120 bis 140 €/MWh liegen. Berücksichtigt man die Transportkosten nach Europa, ändert sich das Bild jedoch, da diese energieaufwändig und damit teuer sind. In diesem Fall sind Länder wie Marokko trotz höherer Produktionskosten die günstigsten für europäische Importeure.

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Ein zukünftiges elektrisches Energieversorgungssystem mit einer hohen dezentralen Flexibilität führt im Vergleich zu einem zukünftigen elektrischen Energieversorgungssystem mit einer reduzierten Flexibilität zu keinem deutlich stärkeren Netzausbaubedarf bei gleichzeitig reduzierten Kosten resultierend aus Engpassmanagement und Netzbetriebsführung.

Simulationen und Berechnungen zeigen, dass beim Szenario „Hohe dezentrale Flexibilität“ im Vergleich zum Szenario „Reduzierte Flexibilität“ nur ein leicht erhöhter Netzausbaubedarf besteht. Eine optimierte Netzbetriebsführung reduziert die notwendige Leistungsänderung und die damit verbundenen Kosten um ca. 28,5%. Diese Ergebnisse zeigen, dass eine hohe dezentrale Flexibilität einen positiven Einfluss auf den Netzausbaubedarf und die Kosten hat.

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Ein stärkerer Zubau von Windkraft in Bayern bei einer gleichzeitig hohen dezentralen Flexibilität führt zu einem weniger starken Netzausbaubedarf und zu einer Reduzierung der Kosten im Rahmen der Netzbetriebsführung.

Die Simulationen und Berechnungen zeigen, dass beim Szenario „Mehr Wind in Bayern“ im Vergleich zu den anderen Szenarien ein geringerer Netzausbaubedarf besteht und dass Maßnahmen mit geringerer Auswirkung auf die maximale Stromtragfähigkeit der Leitungen häufiger eingesetzt werden. Auch die notwendigen Leistungsänderungen auf Erzeuger- und Verbrauchsseite sowie die damit verbundenen Kosten sind geringer. In Summe reduzieren sich die Kosten um 483 M€ im Vergleich zum Szenario „Hohe dezentrale Flexibilität“ und um 1.478 M€ im Vergleich zum Szenario „Reduzierte Flexibilität“. Darüber hinaus ist die Einspeisung erneuerbarer Energieerzeugungsanlagen im Szenario „Mehr Wind in Bayern“ im Vergleich zu den anderen Szenarien reduziert, was für die Erreichung der Klimaziele und der Energiewende von Vorteil ist.