Kernaussage 4
im Detail

4

Die dezentrale Flexibilität wird wichtig. Die Nutzung von Flexibilitätspotenzial in der Industrie, das vorwiegend auf Lastabwurf basiert, kann dies nicht ersetzen und würde einen hohen Zubau an Batteriespeichern notwendig machen.

Unter der Annahme, dass im zukünftigen Energiesystem 60 % der Elektroautos durch Marktsignale gesteuert ihren Ladezeitraum verschieben können, werden im Energiesystem noch etwa 20 GW Stromspeicher benötigt. Erfolgen die Ladevorgänge losgelöst vom Strommarkt würde der Stromspeicherbedarf auf 43 GW steigen. Das kann durch die Annahme eines höheren Flexibilitätspotenzial in der Industrie nicht kompensiert werden. Wird neben der Möglichkeit dezentrale Lastflexibilität zu nutzen, auch bidirektionales Laden möglich, sind lediglich 4 GW an Stromspeichern notwendig. Um dezentrale Flexibilität zu nutzen, bleiben regulatorische Fragen offen. Das Risiko der Überlastung der Verteilnetze durch Gleichzeitigkeit bei marktgesteuertem Laden kann durch intelligente Steuerung mit geringen Einschränkungen vermieden werden.

Im Basisszenario DeVKopSys ergibt sich aus der Zubauoptimierung, dass für eine CO2-freie Energieversorgung etwa 37 Mio. Elektroautos bis 2050 auf Deutschlands Straßen fahren, davon 23 Mio. reine batterieelektrische Fahrzeuge (BEV) und 14 Mio. Hybridfahrzeuge. Mit der Annahme, dass 60 % der Fahrzeuge flexibel über den Markt gesteuert laden, würde eine Batteriekapazität von 915 GWh dem Markt flexibel zur Verfügung stehen, soweit es das Fahrverhalten zulässt. Hinzu kommen 120 GWh an stationären Stromspeichern. Wenn die Elektrofahrzeuge ohne Steuerung am Markt geladen werden, steigt der Bedarf an stationären Stromspeichern im Energiesystem auf 264 GWh, auch wenn stattdessen deutlich mehr Demand-Side-Management in der Industrie verwendet wird. Die übrigen Auswirkungen auf das Energiesystem sind gering und zeigen nur einen geringfügigen Mehrbedarf an PV- und Power-to-Gas Anlagen.

In Abbildung 8 sind die installierten Leistungen und die Differenzen für ein Szenario mit höherem Anteil Industrieflexibilität und marktunabhängigem Ladeverhalten (red. Flex) sowie einem weiteren Szenario mit der Annahme, dass mit Marktsignalen gesteuerte Fahrzeuge auch ins Netz zurückspeisen können, aufgezeigt. Dabei ist für das Szenario, in dem die Fahrzeuge marktunabhängig laden ein steigender Bedarf an installierter Gaskraftwerksleistung und PtG-Anlagen und PV-Leistung, aber insbesondere an stationären Batteriespeichern ersichtlich.

Industrieprozesse weisen ein großes Lastabwurfpotenzial auf. Wenn neue Produktionsstädten aber nicht extra für den zukünftigen Strommarkt flexibel mit Überkapazitäten ausgestattet werden oder konjunkturbedingt die Auslastung niedriger ist, dann weisen sie nur ein geringes Verschiebepotenzial auf und die dezentrale Flexibilität wird nicht kompensiert. Im Basisfall wird von einem Lastverschiebepotenzial von 4 GW ausgegangen, das vor allem in Kühlprozessen, sowie in der Zement- und Papierindustrie liegen. Das Potenzial zum Lastabwurf liegt bei etwa 1,7 GW und findet sich in der Chemie- und Metallindustrie. Für das Szenario red. Flex wurde das Potenzial um den Faktor 3 erhöht.

Abbildung 8: Installierte Leistungen und Differenz installierter Leistungen für das Basisszenario im Vergleich ohne dezentrale Flexibilität (red. Flex) und mit der Möglichkeit V2G zu nutzen (+V2G).

Auch wenn die Nutzung dezentraler Flexibilität, im Energiesystem vielversprechenden Nutzen bietet, bleibt fraglich, wie Verbraucher angereizt werden können, beizutragen, da durch variable Netzentgelte und Strompreise noch kein wirtschaftlicher Use-Case gegeben ist, der den Aufwand rechtfertigen würde. Eine Mitwirkungspflicht des Verbrauchers hingegen ist nicht ohne Weiteres konsensfähig und mit regulatorischen Hürden verbunden.

Weiterhin ist unklar wie groß kostengünstige Flexibilitätspotenziale in der Industrie wirklich vorhanden sind. Technische Hürden sind dort geringer, da industrielle Stromverbräuche häufig ohnehin computergesteuert und automatisiert sind. Weiterhin sind Stromnebenkosten verhältnismäßig gering, sodass Signale vom Strommarkt recht unverfälscht beim Verbraucher ankommen. Um Potenziale dort zu heben, müssten Bezahlsysteme für Netzentgelte und Umlagen so abgeändert werden, dass sie einer marktlichen Nutzung unter Berücksichtigung von Netzrestriktionen nicht im Weg stehen.