Kernaussage 9
im Detail

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Trotz hoher technischer und ökologischer Anforderungen an die Potenzialflächenermittlung für Power-to-X (PtX)-Technologien erscheinen daraus abgeleitete Erzeugungsmengen ausreichend hoch, um den weltweiten Bedarf an synthetischen Kraftstoffen zu decken, wenn Energieeffizienz und direkte Stromnutzung priorisiert werden.

Bei einem Vollausbau der identifizierten PtX-Flächenpotenziale ergibt sich in Abhängigkeit vom unterstellten Bereitstellungspfad eine globale PtX-Ausbauleistung von 12,3 bis 29,9 TW. Daraus lassen sich Erzeugungsmengen von 85.000 bis 120.000 TWh realisieren (zum Vergleich betrug die Summe der globalen Erdgas- und Erdölförderung im Jahre 2019 ca. 99.000 TWh). Kohlenstoff-basierte Energieträger weisen aufgrund höherer Umwandlungsverluste ein geringeres Erzeugungspotenzial gegenüber Wasserstoff auf. Durch den Einsatz einer Hochtemperatur SOEC Elektrolyse können etwas höhere Erzeugungsmenge realisiert werden.

Das im Kontext nachhaltiger Kriterien identifizierte Erzeugungspotenzial außerhalb des europäischen Wirtschaftsraums (EWR) kann für flüssigen Wasserstoff mit 109.000 TWh und für synthetische flüssige Kohlenwasserstoffe (Power-to-Liquid (PtL)-Kraftstoffe) mit 85.000 bis 88.000 TWh abgeschätzt werden (siehe Abbildung 14). Die Mengen resultieren unter der Annahme, dass das gesamte PtX-Flächenpotenzial für die jeweilige Kraftstoffvariante genutzt wird. In der Realität wird es einen bedarfsabhängigen Mix verschiedener Kraftstoffe geben. Die Wahl einer Hochtemperatur SOEC-Elektrolyse ermöglicht in alle Kraftstoffvarianten aufgrund besserer Effizienzen höhere Erzeugungsmengen. Allerdings fallen die Vorteile mit 1-3 % relativ gering aus und sind unter dem Gesichtspunkt des geringeren Technologie-Reifegrades der SOEC Elektrolyse zu bewerten.

Abbildung 14: Globale PtX-Erzeugungspotenziale unter Berücksichtigung verschiedener PtX-Kraftstoffvarianten.

Das ermittelte Gesamtpotenzial lässt sich realistischer Weise jedoch nur zum Teil erschließen – unter anderem, weil mancherorts keine ausreichende Investitionssicherheit gegeben ist oder weil es an nötiger Infrastruktur fehlt. Berücksichtigt man solche Faktoren durch sozioökonomische Indikatoren (mittel bis sehr hoch, siehe Abbildung 15), so liegt das umsetzbare Potenzial aber immer noch bei 69.000 Terawattstunden Wasserstoff beziehungsweise 57.000 Terawattstunden PtL. Zum Vergleich: Die globale Erdgas-Förderung betrug 2019 insgesamt 45.380 Terawattstunden, beim Erdöl waren es 53.610 Terawattstunden.

Abbildung 15: Sozioökonomisches Potenzial als Indikator zum Aufbau einer PtX-Infrastruktur. Ausschnitt aus dem PtX-Atlas des Fraunhofer IEE.

Rechnet man die zur Verfügung stehenden Mengen nach dem Anteil an den globalen Treibhausgasemissionen auf Deutschland herunter, stehen für die Bundesrepublik 764 Terawattstunden Wasserstoff beziehungsweise 632 Terawattstunden PtL zur Verfügung. In Effizienz-Szenarien wie dem „Barometer der Energiewende“ des Fraunhofer IEE beträgt der Bedarf an PtL-Importen im Jahr 2050 insgesamt 320 Terawattstunden. Dazu kommen 180 Terawattstunden Wasserstoff.

In der Diskussion möglicher Exportländer für den zukünftigen PtX-Bedarf der Europäischen Union müssen zum einen afrikanische Länder aufgrund ihrer geographischen Nähe vorzugsweise für die Wasserstoffpfade berücksichtigt werden. Gasförmiger Wasserstoff kann günstiger per Pipeline importiert werden. Das Erzeugungspotenzial beträgt dabei 971 TWh in den politisch stabileren Ländern Marokko und Tunesien sowie 8.728 TWh zusätzlich in Ägypten, Libyen und Algerien. Nicht berücksichtigt sind hierbei Transportverluste über Pipelines zur Quantifizierung der zur Verfügung stehenden Menge im Importland. Für Importprodukte wie FT-Kraftstoffe (Diesel, Kerosin) oder Methanol bieten auch große Flächenstaaten wie die USA, Australien oder Argentinien eine potenzielle Alternative. Vor allem die Flächenpotenziale entlang von Binnengewässern ermöglichen große PtX-Erzeugungsmengen. Aufgrund des vergleichsweise günstigen und unkomplizierten Transports flüssiger Kohlenwasserstoffe spielt auch die Distanz zwischen Export- und Importland nur eine untergeordnete Rolle. Vorhandene Infrastrukturen können weiter genutzt werden und insbesondere FT-Kraftstoffe wie Diesel oder Kerosin weisen aufgrund ihrer Drop-In Fähigkeiten ein hohes Potenzial auf. Offen bleibt abschließend jedoch die Frage, welcher Anteil der Erzeugungsmengen in den jeweiligen Ländern für den nationalen Bedarf eingesetzt wird und wie hoch die dann noch zum Export bestimmten Mengen ausfallen werden.

Geht man allerdings davon aus, dass die Steigerung der Energieeffizienz in allen Sektoren des Energiesystems und zusätzlich bei Endanwendungen die direkte Stromnutzung Priorität haben, so reichen die ermittelten Potenziale aus, um den verbleibenden Bedarf an grünem Wasserstoff sowie klimaneutralen Brenn- und Kraftstoffen zu decken – in Deutschland wie weltweit.